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COPA 71: Die vergessene Fußball-WM I COPA 71 (2023) Kritik

  • Autorenbild: Florian Wolf
    Florian Wolf
  • 1. Juli
  • 2 Min. Lesezeit

Bis heute ist die Frauenfußball-WM 1971 in Mexico von der FIFA nicht anerkannt, obwohl das Turnier zehntausende Zuschauer anzog - und das 20 Jahre vor der ersten offiziellen WM. Der Film COPA 71 (2023) versucht, dieses vergessen Ereignis aus der Vergangenheit zu holen.



© Grandfilm
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COPA 71 (2023) Kritik von Florian Wolf


Der Film ist ein besonderes Medium, und das Dokumentarfilm-Genre nimmt darin eine herausgehobene Stellung ein, da es Bekanntes vertiefen, zeitlich einordnen und Kontexte erweitern kann. Copa 71 (2023) wählt jedoch einen anderen, radikaleren Weg. Die Dokumentation von James Erskine und Rachel Ramsay reanimiert ein aus dem kollektiven Gedächtnis getilgtes Ereignis und macht sichtbar, was verdrängt wurde – nicht nur aus Archiven, sondern aus der Geschichte des Fußballs selbst.


Der Einstieg ist klug gesetzt: Brandi Chastain, Ikone des US-Frauenfußballs, spricht von ihrer Teilnahme an der ersten Frauen-WM 1991, bis ihr Videomaterial von einem ihr unbekannten Turnier gezeigt wird. Es handelt sich um die Copa 1971, ein inoffizielles Weltturnier in Mexiko, das ein Jahr nach der Männer-WM mit Pelé organisiert wurde, jedoch ohne Anerkennung durch die FIFA oder die nationalen Verbände. Was folgte, war ein fußballerisches Großereignis, das mit 110.000 Zuschauern beim Finale im Aztekenstadion bis heute unübertroffen ist. Und dennoch verschwand es aus der Geschichte.


Die Regie holt die Protagonistinnen von einst vor die Kamera zurück – und ins Bewusstsein der Zuschauer. Spielerinnen aus sechs Nationen erzählen, wie sie als junge Frauen gegen gesellschaftlichen Spott, institutionelle Ignoranz und mediale Herablassung Fußball spielten. Ihre Berichte ähneln sich – quer über Kontinente hinweg –, doch sobald sie vom Turnier in Mexiko erzählen, beginnt etwas in ihnen zu leuchten. Besonders die englischen Spielerinnen schildern, wie sie als Nobodys abreisten und als Stars im Blitzlichtgewitter ankamen. Für wenige Tage lebten sie in einer Welt, in der ihnen zuteil wurde, was ihren männlichen Kollegen längst selbstverständlich war.


Besonders eindrucksvoll sind die Interviews – berührend, lebendig, aufrichtig –, doch der eigentliche Schatz liegt im Bildmaterial. Die Archivaufnahmen wurden farblich aufwendig restauriert; die satten Töne verleihen der Vergangenheit eine ungewohnte Präsenz. Die Montage richtet den Blick immer wieder auf die Ränge und zeigt die jubelnden, generationsübergreifenden Zuschauermassen, die den Stadien eine Atmosphäre verliehen, welche das heute gängige Bild des „Desinteresses am Frauenfußball“ Lügen straft.


Erzählerisch nutzt der Film geschickt die Dramaturgie des Turniers: Kurze Spielzusammenfassungen strukturieren den Film, lassen Spannung aufkommen und schaffen Identifikationsmöglichkeiten. Man beginnt mitzuzittern – nicht nur, weil es um Tore geht, sondern auch, weil es um Sichtbarkeit, Würde und Anerkennung geht.


Copa 71 (2023) ist keine nostalgische Rückblende, sondern ein filmisches Rehabilitationsprojekt. Er holt nicht nur ein vergessenes Kapitel der Sportgeschichte zurück, sondern stellt auch grundlegende Fragen nach der Macht über historische Narrative: Wem gehört Geschichte? Und wem gehört der Fußball?


Trotz kleiner inszenatorischer Glättungen bleibt der Film ein bewegendes Zeitdokument über ein Turnier und die strukturelle Unsichtbarmachung weiblicher Leistungen. Und er zeigt: Geschichte ist nicht nur das, was passiert ist, sondern auch das, was wir erinnern wollen.


COPA 71 (2023) Kritik Wertung: ★★★½

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