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Blood & Sinners (2025) KRITIK: Ein filmisches Gebet an Blut, Brüderlichkeit und Befreiung

  • Autorenbild: Florian Wolf
    Florian Wolf
  • 18. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Apr.


In Sinners (2025) verschmilzt Ryan Coogler afroamerikanische Geschichte, spirituelle Mythologie und Genre-Kino zu einer bildgewaltigen Allegorie über Musik, Macht und Erinnerung. Trotz erzählerischer Überdehnung bleibt der Film ein bemerkenswertes Statement – visuell brillant, musikalisch durchdrungen und politisch aufgeladen.

Filmposter Blood & Sinners
© Warner Bros.

Blood & Sinners (2025) KRITIK von Florian Wolf


In Ryan Cooglers neuem Film sind nicht nur die Haupt- und Nebendarsteller exzellent besetzt – Michael B. Jordan, Miles Caton, Hailee Steinfeld, Wunmi Mosaku und vor allem Delroy Lindo brillieren auf höchstem Niveau –, auch Autumn Durald Arkapaw gelingt mit ihrer Kameraarbeit ein visuelles Meisterstück, das auf der IMAX-Leinwand seine volle Wirkung entfaltet: gestochen scharfe Bilder, von intensiver Detailtiefe und poetischer Klarheit.


Coogler formt mit Sinners (2025) einen eindrucksvollen Genrehybrid, der auf mehreren Ebenen funktioniert: als Gangsterfilm, als kritischer Gesellschaftsfilm und nicht zuletzt als elegisches Musikstück über die Kraft des Blues – eine Musik, die hier nicht nur Soundtrack, sondern Seele des Films ist. Der Blues wird zum kollektiven Gedächtnis einer Gemeinschaft, zur Chronik von Schmerz, Stolz und Widerstand.


Erzählt wird die Geschichte der Zwillingsbrüder Smoke und Stack – afroamerikanische Veteranen des Ersten Weltkriegs –, die 1932 aus Chicago in die Heimat, den Mississippi-Delta, zurückkehren. Mit gestohlenem Geld kaufen sie einem weißen Großgrundbesitzer eine stillgelegte Sägemühle ab und eröffnen darin ein Juke Joint für die lokale Black Community. Unterstützt von ihrem musikbegeisterten Cousin Sammie und einer bunt zusammengewürfelten Gruppe aus Sängern, Musikerinnen und Exilanten, entsteht ein Ort der Hoffnung, Ekstase und kulturellen Selbstermächtigung.


Doch was als musikalisches Aufbegehren gegen soziale Ausgrenzung beginnt, verwandelt sich zunehmend in einen übernatürlichen Albtraum: Ein irischer Vampir – Remmick – zieht mit seinen Handlangern durch den Süden, verwandelt Ku-Klux-Klan-Mitglieder in blutdürstige Kreaturen und stellt den Brüdern ein tödliches Ultimatum. Zwischen familiären Konflikten, spiritueller Musik und einem existenziellen Kampf gegen das Böse entspinnt sich ein dramatisches Geflecht aus Mythos, Rassismuskritik und afroamerikanischer Selbstbehauptung.


Von der ersten Szene an, einem Vorgriff auf die restliche Handlung, lässt sich Coogler auf ein präzise durchkomponiertes Erzählkonzept ein. Eine besonders eindrucksvolle Plansequenz zeigt etwa die rassische Segregation Amerikas allein durch das Überqueren einer Straße – entscheidend ist dabei, wer die Straße betreten darf und wer nicht.


Wie bereits Robert Pattinson in Mickey 17 (2025) und Robert De Niro in The Alto Knights (2025) in diesem Jahr, übernimmt auch Michael B. Jordan eine Doppelrolle. Doch anders als seine Kollegen verzichtet Jordan auf eine klare Trennung der beiden Charaktere. Stattdessen betont er durch nuanciertes Spiel ihre emotionale Verbundenheit als Brüder – ein Ansatz, der durch die farbliche Kodierung der Figuren im Bild dennoch jederzeit für klare Unterscheidbarkeit sorgt. Beeindruckend ist dabei, wie Jordan den Film dominiert, ohne seinen Kolleg:innen die Bühne zu nehmen – eine Gratwanderung, die ihm mit großer Souveränität gelingt.


Das Herzstück des Films aber ist der Score von Ludwig Göransson. Nach Oppenheimer (2023) gelingt ihm hier erneut ein Meisterwerk, das Genregrenzen überwindet und mit Zeitlichkeit spielt. Seine Musik oszilliert zwischen Spiritual und Moderne, zwischen Jazz, Blues und orchestraler Dramatik – nie bloß Begleitung, sondern strukturelles Rückgrat der Erzählung. Sinners lebt, atmet und spricht durch diesen Score.


Doch in der zweiten Hälfte verliert der Film streckenweise seine klare Linie. Die feinfühlige Intimität der ersten Akte weicht zunehmend größeren Gesten, und das präzise Erzählen gerät zugunsten spektakulärer Genreüberschreitungen etwas ins Hintertreffen. Die emotionale Nähe, die zu Beginn so eindrucksvoll etabliert wird, tritt stellenweise in den Hintergrund. Dennoch bleibt Sinners stets auf einem hohen ästhetischen Niveau und überrascht immer wieder mit neuen visuellen Ideen, die die Bildsprache des Films bis zuletzt lebendig und bedeutungsvoll halten.


Ryan Coogler beweist mit Sinners (2025) erneut seine Fähigkeit, gesellschaftspolitische Themen in einem kraftvollen erzählerischen Rahmen zu verhandeln. Trotz dramaturgischer Unschärfen im letzten Drittel bleibt der Film ein ästhetisch durchkomponiertes Statement über Herkunft, Brüderlichkeit und strukturelle Ausgrenzung. Zwischen visuellem Raffinement, einem vielschichtigen Score und intensiven Schauspielleistungen verankert Coogler sein Werk tief in der amerikanischen Gegenwart – als Grenzgänger zwischen Genre und sozialer Realität.



Kritik Blood & Sinners (2025) Wertung: ★★★½


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