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Drop (2025): Im Spiegelkabinett der Gewalt

  • Autorenbild: Florian Wolf
    Florian Wolf
  • 17. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

In „Drop“ kollidieren Überwachung, Trauma und digitale Mem-Kultur – zwischen Suspense und Selbstverlust.



Filmposter Drop (2025)
© Universal Pictures

Mit Drop (2025) wagt sich Regisseur Christopher Landon an ein klaustrophobisches Kammerspiel, in einem Penthaus Restaurant. Die Handlung um Violet Gates, eine Überlebende häuslicher Gewalt, die während eines Dates in einem Edelrestaurant zur Spielfigur eines digital gesteuerten Erpressungsnetzwerks wird, verspricht eine dichte Atmosphäre. Und tatsächlich gelingt dem Film in seinen besten Momenten ein visuell ambitionierter Zugriff auf sein Thema, in dem sich die Kamera immer wieder mit exzessiven Bildern in den Vordergrund spielt. Doch tonal und dramaturgisch gerät Drop zwischen den Stühlen – und verspielt damit manches seines Potenzials.


Der Film setzt mit einem visuell markanten Vorspann an, der in seiner stilisierten Thriller-Ästhetik an James-Bond-Intros erinnert. Schon hier deutet sich an: Drop will mehr sein als ein bloßer Genrefilm. Die erste Hälfte des Plots entfaltet sich innerhalb des edlen Restaurants „Palate“, wo Violet auf den Fotografen Henry trifft – ihr erstes Date nach dem Suizid ihres gewalttätigen Ehemanns. Die narrative Struktur verweist auf klassische Suspense-Konstruktionen à la Hitchcock: Der Zuschauer weiß nie mehr als die Protagonistin, aber auch nie weniger. Entscheidende Informationen – etwa die Identität des Erpressers – werden sukzessive durch situative Konfrontationen freigelegt.

 

Doch genau hier liegt das Problem: Die Mitte des Films verliert sich in einer statischen Spannungslosigkeit, in der sich Bedrohung und Handlungsschübe zu wenig zuspitzen. Die über Memes vermittelte Kommunikation des Erpressers wirkt originell, doch zugleich auch tonal uneinheitlich – zu verspielt für das Trauma-Drama, zu harmlos für den Thriller. Die narrative Stringenz wird spätestens im letzten Drittel geopfert, wenn der Film in einem fast grotesken Actionfinale eskaliert. Der zuvor etablierte Realismus weicht einem überzeichneten Showdown, der zwar kurzweilig ist, aber nicht mehr zur vorherigen psychologischen Dichte passt.

 

Im Mittelpunkt steht Violet, gespielt von Meghann Fahy, die als Therapeutin für Opfer häuslicher Gewalt selbst Opfer war und nun denjenigen hilft, die noch immer in einer gewalttätigen Beziehung leben, und die sie mit ihren eigenen Erfahrungen einfühlsam unterstützen kann. Bei ihrem Date wird sie nun durch die Erpressung Situation erneut traumatisiert. Ihr innerer Konflikt – sich erneut in einer missbräuchlichen Situation wiederzufinden – bildet den emotionalen Kern des Films. Dass dieser Aspekt nur streckenweise erzählerisch durchdrungen wird, ist bedauerlich. Gerade Violets Verunsicherung und das zögerliche Vertrauen zu Henry hätten mehr psychologische Tiefe verdient.

 

Und so ist der Film tonal leider zwiespältig, er will gleichzeitig ein lustiger Actionthriller sein, aber auch etwas über ernste Themen wie häusliche Gewalt aussagen. Dabei trifft der Film leider nie wirklich den Ton, in manchen Momenten ist er zu infantil, in anderen will er dann über ernste Themen sprechen. Besser wäre es gewesen, sich auf das Lustige und leichte der Handlung zu konzentrieren, denn dass die Hauptfigur größtenteils über ihr Trauma erzählt wird, tut dem Film nicht gut.

 

Ein Lichtblick: Der Kellner Matt. Inmitten des düsteren Settings bringt seine unschuldige Überforderung an seinem ersten Arbeitstag eine wohltuende komödiantische Note ins Spiel – ein dramaturgisches Gegengewicht, das funktioniert.

 

Visuell ist Drop in weiten Teilen ein Ereignis. Kameramann Marc Spicer arbeitet mit exzentrischen Perspektiven – Dutch Angles, Vogelperspektiven, überzeichnete Tiefenschärfe –, die nicht nur ästhetisch beeindrucken, sondern auch eine unterschwellige Desorientierung evozieren. Immer wieder kippt das Bild, wörtlich und metaphorisch, was dem Zuschauer das sichere narrative Terrain entzieht. Die Beleuchtung folgt narrativen Impulsen: Charaktere werden durch gezielte Lichtsetzung hervorgehoben, Räume als psychologische Projektionsflächen erfahrbar gemacht.

 

Das Restaurant selbst wird zur Bühne und zum Überwachungsraum zugleich – ein „gläserner“ Ort, in dem Privates nicht mehr geschützt ist. In der mise-en-scène verweist Drop so auf einen Zustand permanenter Sichtbarkeit, der an Foucaults Panoptikum denken lässt. Die digitale Kontrolle ersetzt die physische – und entfaltet dennoch dieselbe manipulative Macht.

 

Der Score erweist sich als einer der stärksten Aspekte des Films: Bereits im Vorspann wird er kraftvoll eingesetzt, später zieht er sich subtiler zurück, um gegen Ende erneut in den Vordergrund zu treten. Die Musik folgt dabei einer klaren dramaturgischen Kurve, unterstreicht emotionale Zuspitzungen und lenkt die Wahrnehmung ohne aufdringlich zu werden. Die tonale Vielfalt des Films findet hier ihre musikalische Klammer.

 

Drop (2025) ist ein visuell ambitionierter Thriller, der spannende gesellschaftliche Themen berührt – von digitaler Überwachung über die Reinszenierung patriarchaler Gewalt bis hin zur Korruption politischer Macht. In seinen stärksten Momenten erinnert er an psychologische Kammerspiele des Suspense-Kinos, bereichert durch eine moderne Tech-Noir-Sensibilität. Doch die mangelnde Tonalitätstreue und eine dramaturgisch schwache Mittelpassage verhindern, dass der Film sein volles Potenzial entfaltet.

 

So bleibt Drop ein Werk zwischen Mut und Konvention, zwischen Überwachungsthriller und Trauma-Drama – ein Film, der die Kontrolle über seine eigenen Mittel nicht immer behält, aber in seinen formalen Entscheidungen durchaus bemerkenswerte Akzente setzt.


WERTUNG: ★½

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