Ein letzter Aufstand des klassischen Mafiafilms I The Alto Knights (2025)
- Florian Wolf

- 31. März
- 3 Min. Lesezeit
★★★½
Das Mafiafilm-Genre stellt eine zentrale Säule der amerikanischen Filmgeschichte dar – kaum eine Aufzählung der einflussreichsten Werke des 20. Jahrhunderts kommt ohne The Godfather (1972), Once Upon a Time in America (1984), Casino (1995), GoodFellas (1990) oder Scarface (1983) aus. Diese Filme haben nicht nur das Genre maßgeblich geprägt, sondern auch die Karrieren von Regisseuren wie Coppola, De Palma und Scorsese geformt. Sie sind cineastische Monumente, deren Einfluss bis in die Gegenwart reicht.

Auch Barry Levinson ist eine Institution im amerikanischen Kino. Mit Bugsy (1991) wagte erst sich bereits schon ein mal in das Genres vor. Nun, über drei Jahrzehnte später, kehrt er mit The Alto Knights (2025) zurück und liefert einen Film, der zwischen zeitloser Relevanz und nostalgischer Reminiszenz oszilliert. In gewisser Weise wirkt er wie ein letztes Aufbäumen eines Kinomodells, das im zeitgenössischen Hollywood kaum noch Platz findet. Das Drehbuch stammt von Nicholas Pileggi, dem Architekten klassischer Mafia-Narrative, der mit GoodFellas und Casino das Genre in einer bis heute gültigen Weise formalisiert hat. Und nicht nur hinter der Kamera versammelt sich ein letztes Mal das alte Hollywood: In der Hauptrolle – oder vielmehr in den Hauptrollen – steht Robert De Niro.
Kaum ein Schauspieler ist so untrennbar mit dem Mafiafilm verknüpft wie De Niro. Doch während seine Präsenz das Genre über Jahrzehnte hinweg prägte, trat er zuletzt eher in Nebenrollen oder wenig anspruchsvollen Komödien auf. Mit The Irishman (2019) bewies er erneut seine herausragenden Fähigkeiten, und nun kehrt er in The Alto Knights in doppelter Ausführung zurück – als Frank Costello und Vito Genovese. Dass De Niro einer der größten Schauspieler seiner Generation ist, steht außer Frage. Doch dieser Film demonstriert eindrucksvoll, dass er nichts von seiner künstlerischen Präzision und Wandlungsfähigkeit eingebüßt hat.
Sein differenziertes Schauspiel bildet das Herzstück des Films. Die Handlung, inspiriert von realen Ereignissen, erzählt von zwei Kindheitsfreunden, die sich im mafiosen Machtgefüge emporarbeiten – einem System, in dem Misstrauen die einzige Konstante ist. Doppelrollen erfordern stets eine präzise Distinktion zwischen den Figuren, um ihre Individualität zu bewahren. The Alto Knights löst diese Herausforderung nicht allein durch Maske und Kostüm, sondern durch De Niros nuanciertes Spiel: Er differenziert Frank und Vito allein durch subtile Veränderungen in Stimme, Körpersprache und Präsenz. Frank Costello erscheint als Diplomat, tief vernetzt in Politik und Wirtschaft, bedacht darauf, Konflikte zu vermeiden und durch strategische Allianzen Macht zu sichern. Vito Genovese hingegen ist impulsiv, jähzornig und skrupellos – eine Figur, die eher an die archetypischen Gangsterrollen erinnert, die Joe Pesci verkörpert hat.
Auf thematischer und personeller Ebene erinnert The Alto Knights unweigerlich an das Kino der 1970er und 1980er Jahre. Auch stilistisch wirkt der Film wie ein bewusst antiquiertes Werk – eine Hommage an eine Ära, in der Charakterentwicklung über Spektakel gestellt wurde. Natürlich erreicht Levinsons Film nicht die Größe seiner ikonischen Vorgänger, sondern bleibt stets in deren Schatten. Doch gerade seine bedächtige Erzählweise hebt ihn von der heutigen Hollywood-Ästhetik ab, die oft von überhastetem Tempo und narrativer Oberflächlichkeit geprägt ist.
The Alto Knights erlaubt sich Zeit für seine Figuren, setzt auf subtile Spannungsbögen und verzichtet auf übermäßige Exposition – ein seltener Luxus im modernen Kino.
Die größte Stärke des Films liegt in der Darstellung der sich wandelnden Beziehung zwischen Frank und Vito – einer Freundschaft, die über Jahrzehnte hinweg von Misstrauen und Machtkämpfen untergraben wird. Die Rivalität kulminiert schließlich in einem Mordanschlag, doch Levinson verzichtet darauf, diese Entwicklung in banaler Eindeutigkeit auszubuchstabieren. Stattdessen setzt er auf narrative Ellipsen und gezielte Leerstellen, die das Publikum zur aktiven Rezeption herausfordern.
Trotz dieser Qualitäten kann The Alto Knights nicht alle Schwächen seines Genres überwinden – insbesondere in der Darstellung weiblicher Figuren zeigt er dieselben Defizite, die bereits viele Mafiafilme der 1970er und 1980er Jahre prägten. Die wenigen Frauenfiguren dienen primär als Unterstützerinnen ihrer männlichen Gegenstücke, ohne eigenständige narrative Funktion oder innere Konflikte. Hier bleibt der Film hinter zeitgenössischen Entwicklungen zurück.
Levinson präsentiert mit The Alto Knights einen Film, der sich bewusst an die Tradition seiner Vorgänger anlehnt, jedoch im Finale eine erfrischend eigene Richtung einschlägt. Anstelle eines konventionellen Showdowns oder einer finalen Machtdemonstration inszeniert er eine Autofahrt als antitypischem Autorennen. Durch präzise Montage und einen spannungsaufbauenden Score gelingt ihm ein Finale, das die Erwartungen des Publikums subversiv unterläuft und erst in den letzten Minuten das eigentliche Erzähl Interesse aufdeckt.
The Alto Knights (2025) ist ein Film, der in Hollywood selten geworden ist: eine klassische Gangstergeschichte, getragen von einem Schauspieler auf dem Zenit seiner Kunst. Er verzichtet auf übermäßige Action und spektakuläre Schauwerte und konzentriert sich stattdessen auf psychologische Tiefe, zwischenmenschliche Dynamiken und das unaufhaltsame Vergehen der Zeit. Dass er sich anfühlt, als stamme er aus einer anderen Ära, mag als Makel erscheinen – doch genau darin liegt sein unverkennbarer Reiz. Wer diesen Film sehen sollte? Jeder, der Robert De Niro in absoluter Höchstform erleben möchte – und das in einer doppelten Dosis.
Wertung: ★★★½



