Parthenope (2024) KRITIK: Paolo Sorrentinos melancholischer Blick auf Schönheit, Jugend und Neapel
- Florian Wolf
- 29. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Mit Parthenope inszeniert Paolo Sorrentino eine ästhetische Reflexion über die vergängliche Schönheit der Jugend, den verführerischen Blick der Kamera und die melancholische Metaphorik der Stadt Neapel

Parthenope (2024) KRITIK:
Die Protagonistin seins nun Films, lässt Paolo Sorrentino (Ewige Jugend (2016), Die Hand Gottes (2021) und La Grande Bellezza (2013)) gleich zu beginn im Meer zur Weltkommen. Im Wasser an einer Traumhaften Urlaubsgegend kommt Parthenope zur Welt und steigt in der nachten Szenen zugleich aus dem Wasser empor nun nicht mehr als Kind, sondern als junge Erwachsenen Frau. Denn Namen seiner Hauptprotagonisten hat Paolo dabei aus der griechischen Mythologie entnommen, sie bleibt aber nicht hur einen mythologische Aufgeladenen Figur, sonder ist auch eine Metapher auf die Stadt ihre Geburt Neapel.
Parthenope ist Sorrentinos Versuch, Schönheit filmisch einzufangen – in den Bildern der Stadt, in der Kleidung, in der Körperlichkeit und Ausstrahlung seiner Hauptfigur. Der Film ist von der ersten Szene an fasziniert von Parthenope, verkörpert von Celeste Dalla Porta – von ihrer Schönheit, Schlagfertigkeit, Intelligenz, vor allem aber von ihrer Jugend. Dieser Blick ist unübersehbar männlich: Die Kamera fährt ihren Körper ab, inszeniert ihre sinnliche Präsenz – doch dahinter liegt eine tiefere Schicht. Es ist ein alter Blick, ein melancholischer Blick, der sich an der Jugend berauscht, weil er um ihre Vergänglichkeit weiß.
Die Kamera von Daria D’Antonio (Supersex (2024), Die Hand Gottes (2021)) scheut sich nicht, ihre ästhetische Faszination offen zur Schau zu stellen. Bereits in den ersten Einstellungen wird deutlich, wie sehr sie vom Körper Celeste Dalla Portas angezogen ist – insbesondere von ihrem kontrollierenden, zielstrebigen Blick. Diese Inszenierung ist ambivalent: Sie verzaubert und objektiviert zugleich. Auch wenn der Film immer wieder männliche Körper ähnlich erotisiert, bleibt das zentrale Begehren auf Parthenope gerichtet.
Parthenope spielt mit der Ästhetik des Verhüllten, des Andeutenden. Der Körper wird klar erotisch stilisiert – durch lockere, sonnengebleichte Kleidung, nasse Haare, halbtransparente Stoffe. Der Film bleibt voyeuristisch, entkleidet seine Protagonistin aber nie vollständig. Stattdessen entscheidet er sich in intimen Momenten für die Großaufnahme ihres Gesichts, für den Blick und damit für die sinnliche Perspektive der Hauptfigur des Films.
Diese doppelbödige Ästhetik – der Wechsel zwischen Nähe und Distanz, zwischen Begehren und Kontrolle – durchzieht den gesamten Film. Sie prägt nicht nur die Darstellung der Körper, sondern auch den Umgang mit der Umgebung. Die Kamera gleitet geduldig über Wände, Fenster, das türkisfarbene Meer, über wehende Vorhänge und sonnenbeschienene Gassen. Es ist ein „slow gaze“, ein kontemplativer Blick, der das Normschöne feiert, es aber auch stilisiert und in ein Ideal verwandelt. Die Musik – etwa Riccardo Cocciantes Song Era già tutto previsto (1975) – unterstreicht dieses Bild eines mediterranen Sommers, der gleichzeitig konkret und entrückt wirkt, wie ein Erinnerungsfragment.
Der Blick des Films ist der Blick des Alters auf die Jugend – wehmütig, sehnsüchtig. Mehrere Figuren spiegeln diese melancholische Perspektive. Besonders der Schriftsteller John Cheever (Gary Oldman), der Parthenope nicht sexuell begehrt, sondern sich ihrer Jugend und Lebendigkeit unterlegen fühlt. Er nimmt sich zurück, weil er weiß, dass er ihr keine Zeit stehlen will – eine Währung, die für ihn knapp geworden ist, während sie in Parthenopes Händen scheinbar unbegrenzt liegt.
Parthenope selbst ist die Verkörperung eines utopischen Möglichkeitsraums. Sie ist jung, schön, raucht Zigaretten, flirtet mit der Welt und lässt sich nichts gefallen. Auch wenn sie visuell objektiviert wird, gelingt es Sorrentino, sie als selbstbestimmte, starke Figur zu zeichnen. Parthenope ist neugierig, rebellisch, sexuell souverän – eine Frau, die nicht auf einfache Antworten hereinfällt. Ihr Studium der Anthropologie beginnt sie nicht aus klarem Interesse, sondern aus Neugier – was zählt, ist die Suche. In Professor Devoto Marotta (Silvio Orlando) findet sie einen Mentor, der ihr mit seiner abgeklärten Weltsicht imponiert.
Celeste Dalla Porta ist die Entdeckung dieses Films. Vom ersten Moment an, in dem sie aus dem Meer auftaucht, bis zu ihrem letzten Blick in die Kamera, trägt sie den Film mit ihrer Präsenz. Sie spielt nicht bloß – sie führt den Film. Inmitten der visuell überwältigenden Bilder bietet sie eine Konstante, eine innere Schwerkraft, an der sich die losen Fragmente der Handlung orientieren können.
Nicht zuletzt ist Parthenope eine Liebeserklärung an Neapel – eine Stadt, die bei Sorrentino zugleich real und entrückt, konkret und symbolisch ist. Ein Ort voller Widersprüche, voller Leben, voller Schönheit – aber auch voller Melancholie. Oder, um es mit Parthenopes eigenen Worten zu sagen: „Ich war traurig und leichtfertig, entschlossen und faul – wie Neapel, wo immer Platz für alles ist.“
Parthenope (2024) ist eine Ode an die Jugend, die Schönheit – und an Neapel. Ein Film, der Normschönheit inszeniert, ohne sich an ihr zu erschöpfen. So sehr er seine Hauptfigur auch begehrt, so wenig entmündigt er sie. Celeste Dalla Porta verleiht Parthenope eine Kraft, die den raumeinnehmenden Bildern ein Gegengewicht gibt. Parthenope ist ein Film des langsamen Blicks – voller Wehmut, voller Sehnsucht, voller vergehender Zeit.