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Sing Sing (2023)

  • Autorenbild: Florian Wolf
    Florian Wolf
  • 29. März
  • 2 Min. Lesezeit

★★★★


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Sing Sing (2023) ist ein außergewöhnlicher Film – und das beginnt bereits bei seiner

Finanzierung. Statt klassischer Gagenstrukturen wurde ein neues Modell gewählt: Jeder an der Produktion Beteiligte, ob vor oder hinter der Kamera, wurde anteilig nach der investierten Zeit bezahlt. Ein innovativer Ansatz im Independent-Kino, der darauf abzielt, finanzielle Ungleichheiten zwischen Kreativen vor und hinter der Kamera auszugleichen.


Doch nicht nur die Produktionsweise ist unkonventionell – auch inhaltlich geht der Film einen eigenen Weg. Sing Sing (2023) spielt in einem Gefängnis und dreht sich um ein

Theaterprogramm für Inhaftierte. Dabei basiert er nicht nur auf einem real existierenden Projekt, sondern besetzt fast alle Rollen mit ehemaligen Teilnehmern dieses Programms. Clarence Maclin, Sean San José oder Sean Dino Johnson spielen nicht einfach eine Figur – sie greifen in ihrer Darstellung auf persönliche Erlebnisse aus ihrer eigenen Zeit in Haft zurück. Die Hauptrolle übernimmt Colman Domingo, dessen Präsenz allein schon eine gewisse Gravitas mit sich bringt.


Regisseur Greg Kwedar zeigt sich hochgradig bewusst für die popkulturell geprägte Ästhetik klassischer Gefängnisfilme wie In the Name of the Father (1993), The Green Mile (1999) oder The Shawshank Redemption (1994). Gerade letzterem erweist er in einer ikonischen Hofszene eine Hommage – nur um deren Bedeutung für seine eigene Erzählung umzudeuten. Sing Sing (2023) entwickelt eine gänzlich eigene Bildsprache: Wärter sind nur in ausgewählten Momenten sichtbar, und statt des üblichen Narrativs von Feindschaft und Überlebenskampf zwischen Häftlingen setzt der Film auf Solidarität. Die Figuren sind keine Gegner, sondern Verbündete – vereint durch das Schicksal, getrennt nur durch ihre individuellen Geschichten.


Auch visuell distanziert sich der Film von der düsteren, kalten Farbpalette vieler Genrevertreter. Die Bilder strahlen eine fast unerwartete Wärme aus, Außenaufnahmen sind von hellem Sonnenlicht durchflutet, und selbst die Filmmusik setzt bewusst auf aufbauende, hoffnungsvolle Töne.


Besonders beeindruckend gelingt dem Film die Differenzierung seiner Charaktere. Zwar teilen alle das gleiche Schicksal, doch ihre Vergangenheit, ihre Hoffnungen und die ungewisse Zukunft „draußen“ sind für jeden von ihnen einzigartig. Vielleicht verdichtet keine Szene diese Idee so eindrucksvoll wie die Übung, bei der sich die Mitglieder des Theaterprogramms an einen für sie schönen Ort versetzen sollen. In wenigen Momenten offenbart sich hier die ganze Bandbreite ihrer Sehnsüchte und Träume.


Und dann ist da noch Colman Domingo. Hat er jemals in einem Film nicht überzeugt? Kaum vorstellbar. Ihm gleich zu Beginn einen Shakespeare-Monolog zu geben, ist fast unfair – er zieht das Publikum augenblicklich in seinen Bann. Domingo dominiert die Leinwand mit einerPerformance, die keine Superlative scheut. Es ist die Arbeit eines der besten Schauspieler unserer Zeit.

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